Buchtipp: Krimitipps des Thrill+Chill-Teams April 2007
Helga Hanl-Lohn
Fred Vargas: Die dritte Jungfrau
Meine Meinung: Nach der "Vierzehnte Stein" hat mich Fred Vargas nun mit "Die dritte Jungfrau" in den Bann gezogen.
Die Vertreterin des poetischen Kriminalromans besticht durch Ihre unkonventionellen Ideen, aus denen Sie in ihrer ganz eigenen sprachlichen Qualität Kunstwerke schafft, in denen ganz spezielle Charaktere auftreten.
Kommissar Adamsberg ist einer von ihnen, unkonventionelle Ermittlungsmethoden sind seine Spezialität (…folgt den Spuren der Katze). Sowie assoziativ Verbindungen erkennen (gemeuchelte Hirschen und tote Jungfrauen). Sturheit und Besessenheit prägen seinen Arbeitsstil. Ein bizarres Universum an Protagonisten, die die Pariser Brigade des Kommissars bilden oder kleine Dörfer in der Normandie oder gar in den Pyrenäen bevölkern.
Fred Vargas leitet die Leser an, einen Schritt beiseite zu treten und einen neuen Blickwinkel zu entdecken. Die Erinnerung an das Buch, obwohl zu Ende gelesen, bereitet noch immer einen wohligen Genuss.
Davide Longo: Der Steingänger
Meine Meinung: Der Schauplatz, ein kleines abgelegenes Tal im Piemont an der Grenze zu Frankreich. Wortkarge Dorfbewohner, die einander gut kennen. Man kennt die dunklen Seiten seiner Mitbewohner. Dann passiert ein Mord, einer der Ihrigen wird ermordet. Einer, der als Schleuser Flüchtlinge über die Berge gebracht hat, was alle im Dorf wussten. Gerade die Kargheit der Umgebung spiegelt sich in der Nüchternheit der Sprache, in der dieser Roman erzählt wird. Ein ungewöhnlicher Krimi in geschliffener Sprache.
Gerald Lohn
Gianrico Carofiglio: Reise in die Nacht
Avvocato Guido Guerrieri, frisch geschieden und geschüttelt von einer tiefen Lebenskrise, übernimmt die Verteidigung eines des Mordes angeklagten Senegalesen - ein schier aussichtsloses Unterfangen!
Meine Meinung: Reise in die Nacht ist der erste Gerichtskrimi aus einer neuen Serie mit dem smarten Anwalt Guerrieri aus dem süditalinienischen Bari. Der geschilderte Fall ist kritisch, realistisch und bis zum Schluss sehr spannend. Trotzdem ist es weniger der Kriminalfall selbst, der dieses Buch so lesenswert macht, als seine Hauptperson. Selten wurde eine Hauptfigur so glaubwürdig, ehrlich und differenziert beschrieben wie in diesem Roman. Fazit - ein wunderbar unterhaltsamer Roman, der große Lust macht, mehr von Avvocato Guerrieri zu lesen (sein zweiter Fall "Im freien Fall" ist gerade erschienen!).
Massimo Carlotto: Arrivederci, Amore, Ciao
Giorgio Pelegrini will ein angesehener Bürger werden - dafür schreckt er vor nichts zurück!
Meine Meinung: Auf knapp 200 Seiten erzählt Massimo Carlotto die Geschichte von Giorgio Pelegrini, einem ehemals linken Idealisten, der zum Terroristen wird und dessen Weg in ein normales Leben von Leichen gepflastert wird. Der Roman ist inhaltlich durch die Kompression der Ereignisse sehr rasant, sprachlich jedoch geradezu zynisch schlicht und kalt. Carlottos Beschreibung seiner Hauptfigur ist gleichzeitig schockierend und faszinierend, man gerät sehr leicht in den Bann des Romans - sich daraus zu lösen, ist viel schwieriger! Fazit - ein sprachlich hervorragendes Buch fernab jeglicher Konventionen und Krimi-Cliches - sehr unmoralisch, aber auch sehr empfehlenswert!
Jed Rubenfeld: Die Morddeutung
New York 1909: rätselhafte Morde, korrupte Politiker, eine schöne junge Frau und mittendrinnen Sigmund Freud.
Meine Meinung: Morddeutung ist ein psychologischer Krimi, der geschickt Realität und Fiktion vermischt, um einen raffinierten Kriminalfall zu konstruieren, dem es nicht an Spannung fehlt. Nebenbei erhält man einen stimmigen Einblick in das New York am Anfang des 20. Jahrhunderts sowie eine Einführung in die Psychonanalyse. Aus dieser Melange entsteht ein außergwöhnlicher, atmosphärischer Roman, der zu fesseln versteht und sprachlich überzeugt. Fazit - ein Buch, in das man versinken kann.
Nina Kambersky
Gillian Flynn: Cry Baby. Scherz Verlag
Die junge Journalistin Camille Parker fährt in die Kleinstadt Wind Crap in Missouri um für die Daily Post über das rätselhafte Verschwinden eines jungen Mädchens zu berichten. Damit begibt sie sich gleichzeitig auf eine Reise zurück in die Vergangenheit, in den Ort ihrer Kindheit. Das verschwundene Mädchen wird kurz nach Camilles Eintreffen in Wind Carp tot aufgefunden und sie ist nicht das erste ermordete Mädchen in der Kleinstadt. Bereits einige Jahre zuvor wurde ein junges hübsches Mädchen auf die gleiche Art und Weise ermordet.
Nach und nach offenbaren sich dem Leser die psychischen Abgründe, die in den Bewohnern der Kleinstadt und in der Familie von Camille lauern. Ein spannendes Debüt, das tief unter die Haut geht und den Leser lange nicht los läßt!
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